Klaus Busch

Bilder und Illustrationen

NARRENSPIEGEL 1-10


Dult is' (Narrenspiegel I, 2016)

Die Bajuwarinnen und Bajuwaren sind Rudeltiere. Neben einem Hang, sich einem alleinherrschenden und in der Regel männlichen Alphatier unterwerfen zu wollen, lässt sich das an einer ganz besonderen Verhaltensweise festmachen: An allen Orten, an denen Bierzeltgarnituren aufgestellt sind - seien es noch so viele und sei die Veranstaltung (zurecht?) noch so schlecht besucht - drängen sie sich in Gruppen eng zusammen. Mag auch noch so viel Platz sein und mögen die individuellen Körper auch noch so viel Raum einnehmen, es geht immer in die Nahdistanz. Wer jemals auf einem bayerischen oder pseudo-bayerischen Volksfest war, wird wissen, was gemeint ist...


Das volle Boot? (Narrenspiegel II, 2016)

Statt Empathie und dem Begreifen von Zuwanderung als Chance gesellschaftlicher Entwicklung bestimmen diffuse Ängste um den eigenen Wohlstand die Diskussion um das Thema „Flucht und Flüchtlinge“. Das ist beschämend angesichts des tausendfachen menschlichen Leids. Dies umso mehr, als die lautesten und hässlichsten Verlautbarungen dieser nicht zu begründenden Vorbehalte aus geographischen Ecken kommen, die nahezu nichts mit diesem Thema zu tun haben, und von Menschen, die vor nicht einmal 30 Jahren häufig noch selbst Flüchtlinge waren. Der jährliche Urlaub „auf Malle“ scheint wichtiger als die lebensrettende Aufnahme von schutzlosen Menschen. Das macht sprachlos. „Das volle Boot?“ ist der Versuch, diese Sprachlosigkeit zu überwinden.


Der Clown hat den Blues (Narrenspiegel III, 2016)

Der Titel des Bildes zitiert ein Lied von Wolf Maahn: 

"Der Clown hat den Blues.
Es geht ihm nicht gut.
Das Publikum johlt,
doch der Clown hat den Blues."

In diesem Bild "johlt" das Publikum nicht, es pöbelt und grölt. Das, was so viele in diesen "post-faktischen" Zeiten tun: Nicht Zuhören, nicht Reflektieren, sondern Plattitüden aufschnappen und hirnlos herausbrüllen. Was aber Farbe in unsere Welt bringt, ist das Zuwenden zu Anderem und Unbekanntem, die Neugierde auf das Kennenlernen. Deshalb sind die Flüchtlingskinder, die mit Abstand Leidtragendsten dieser Entwicklung, bewusst farbiger gehalten, im Kontrast zu den  farblosen alltagsgrauen Mit"menschen" mit den entlarvenden Fahnen, die sie tragen. Dass deren Menschenverachtung immer weiter um sich greift, lässt den Clown (eine Hommage an den großartigen Oleg Popov) verzweifeln. Ein Gefühl, dass vielen Deutschen, Europäer*innen und zum Glück noch immer etwas mehr als der Hälfte der US-Amerikaner*innen vertraut sein dürfte. 

Bei Wolf Maahn heißt es im Lied weiter am Ende: "Unsere Träume sind nie gefeit gegen eine Überdosis Wirklichkeit". Dem ist nichts hinzuzufügen...


Ostbayerische Männerträume (Narrenspiegel IV, 2017)

Außer vielleicht im Ruhrgebiet ist der Autowahn nirgendwo mehr verbreitet als in Ostbayern. Menschen, vor allem Männer, definieren sich über ihr Auto. Über Blech mit Rädern unten dran. Das ist nüchtern betrachtet traurig. Innenstädte verkommen zu Großraumparkplätzen, zwischen denen Fußgänger und Radfahrer irgendwie ihren Weg finden sollen. Am Niedergang des Einzelhandels ist nach landläufiger Meinung nicht die fehlende Qualität der Ware und der so oft lustlos-ruppige Ton des Personals schuld, sondern der fehlende immer freie und möglichst kostenlose Parkplatz vor der Haustür. Fußgängerzonen stehen auf einer Ebene mit Ketzerei und Kommunismus. Und aus den Kirchen hallt das Gebet um den täglichen Parkplatz. Dass das extrem zu Lasten der Lebensqualität geht und man dies anderenorts schon seit etwa 30 Jahren verstanden hat, geht an vielen oktansüchtigen ostbayerischen (zumeist) Männern völlig vorüber.


Helden am Abend (Narrenspiegel V, 2017)

Was machen Helden nach Feierabend? Und was, wenn sie nicht mehr gebraucht werden? Darauf versucht das Bild eine Antwort zu geben. 

Es soll vor allem eines zeigen: Vielleicht sind Helden manchmal einfach Menschen wie du und ich - vielleicht sind aber auch Menschen wie du und ich einfach manchmal Helden...


Bavarian Baroque (Narrenspiegel VI, 2017)

Das an der Wand hängende, 1930 entstandene „American Gothic“ von Grant Wood, zu sehen im Original im Art Institute of Chicago, ist eines der bekanntesten Gemälde des amerikanischen Realismus. Viele Deutungen des Bildes, u.a. von Gertrude Stein, sehen das Bild wohl zurecht als Satire auf das amerikanische Kleinstadt- und Landleben. Dafür spricht auch, dass sich manch amerikanischer Farmer durch das Bild als übelgelaunter puritanischer Moralist verunglimpft fühlte. 

Diesen Gedanken greift „Bavarian Baroque“ auf und stellt sich „American Gothic“ diametral gegenüber. Gotisch geht ja in Bayern nicht, also barock. Das Barocke ist nicht nur die bayerische „Gmiatlichkeit“ (zu interpretieren als eine tiefe Gelassenheit im Umgang mit den Unbilden des Lebens). Die gibt es in Wahrheit kaum noch. Deshalb wird sie in unzähligen bayerischen Bierzelten tagaus und tagein fast schon verzweifelt beschworen. Vielmehr verstecken sich immer mehr ungesunde Lebensweisen und Lebensverständnisse hinter dieser „Gmiatlichkeit“. So zeugen außergewöhnlich viele übergewichtige Kinder von einer oft falsch verstandenen „Gmiatlichkeit“. Und natürlich ist es eine Satire auf das bayerische Kleinstadt- und Landleben. Wie „American Gothic“ eben…


Fair Is Foul And Foul Is Fair (Narrenspiegel VII, 2017)

"Fair is foul and foul is fair", beschwören die drei Hexen in Akt 1 Szene 1 von Shakespeares "Macbeth". Sie bereiten sich vor, im Reich des Duncan Verwirrung zu stiften. Fake News zu verbreiten also. Wie treffend! Die Hexen symbolisieren die Verkehrung von Gut und Böse, von Schlechtem und Gutem. Diese Verkehrung ist das Leitmotiv in Macbeth und scheint zunehmend auch das Leitmotiv unserer realen Welt zu werden. Der Schein und die Realität sind gerade für Macbeth und Lady Macbeth nur selten zwei Dinge, die sich einander angleichen sollten. Jedes Mittel scheint ihnen recht, um an die Herrscherkrone zu kommen. 

Und so rühren hier in einer Art Walpurgisnachtszene eine Vielzahl Hexen in den Köpfen heutiger Macbethscher Despoten: Sie stiften Verwirrung in Köpfen, denen jedes Mittel recht ist, an die Macht zu kommen und diese zu behalten. Heißen sie Erdogan, Putin oder Trump. Man hätte die Reihe der Köpfe nahezu endlos ergänzen können. Und im Vordergrund köchelt der "Fake-News-Verwirrungs-Trank" schon in den Köpfen der Möchtegern-Despoten, seien es Herr Orban, Frau Le Pen, Herr Gauland, Herr Wilders oder Herr Strache...


Astronaut John D. Smith drehte sich gerade um, als der Klimawandel beschloss, von nun an gerechter zu werden (Narrenspiegel VIII, 2017)

Eine Art geographisches Rätselbild, da vielleicht - wenn man unvorbereitet an das Bild herantritt - nicht sofort klar wird, warum der Klimawandel denn nun gerechter wird. Der Ausschnitt der Erdkugel, der auf dem Bild zu sehen ist, zeigt Nordamerika. Ein Staat - und nur ein Staat, exakt in seinen Grenzen - ist aber im blauen Ozean verschwunden. Der Staat, der einstmals Klimaabkommen aufkündigte. Der Staat, der sich gerne "first" sieht. Wäre es nicht schön, wenn der Klimawandel so gerecht wäre, dass nicht Südsee-Atolle, sondern die Verursacher selbst alleine die Folgen zu tragen hätten. Diese unmögliche Vision zeigt dieses Bild mit dem kryptisch-langen Titel.


Grodgriabigfindsdaherrschmidtimgäu (Narrenspiegel IX, 2018)

"Da Gäu" ist die niederbayerische Bezeichnung für den Gäuboden, die fruchtbare und ertragreiche Landschaft in der Donausenke zwischen Regensburg und Oster-hofen. Er ist gekennzeichnet durch Agrarwüsten für den Anbau von Zuckerrüben, Futtermais und Spreewaldgurken, ist geprägt durch sich hochherrschaftlich bis zur Wahlfälschung generierende Großbauern und ist wegen der agrarindustriellen Nutzung eine ausgesprochen trostlose Landschaft. Statt Bäumen und Feldhainen gibt es Rübenmieten und Kieswerke. 

"Da Herr Schmidt", rechts am Bildrand, ist jener ehemalige Landwirtschaftsminister, der entgegen aller Vernunft und Absprachen die Verlängerung der Glyphosatzulassung durchgesetzt hat, vermutlich um zumindest am Ende der damaligen Legislaturperiode endlich einmal dafür zu sorgen, dass ihn mal jemand namentlich kennt. Tote Bienen und Insekten sind da egal. Die Profilneurose und das Bedienen der Stammklientel sind da wichtiger... 

"Griabig" findet es der Herr Schmidt also im Gäuboden. Das ist seine Vorstellung von Agrarlandschaft! "Griabig" lässt sich leider nicht 1:1 ins Hochdeutsche über-setzen. Ein "griabiger" Ort ist ein Ort, an dem es sowohl gemütlich ist als auch fröhlich zugeht, wo man sich wohlfühlt. Wie der Herr Schmidt in den Wüsten des "Gäu". Die besondere Form des Titels ist angeregt durch Tanja Hofmann aus Zwiesel, die wunderbare Bilder malt und ihren Bildern eben solche wunderbar verquere Titel gibt.


Capricho Nr. 43, Update 4.0  (Narrenspiegel X, 2018)

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" (El sueño de la razón produce monstruos) ist eine der berühmtesten Radierungen von  Francisco de Goya. Es ist das 43. Bild der insgesamt 80 Aquatinten aus Goyas Serie „Los Caprichos“. Die Goya-Expertin Eleanor Axson Sayre schreibt hierzu: „Der Betrachter des Bildes wird aufgefordert, nicht zu schlafen, sondern wachsam zu sein, denn sonst kann man die Ungeheuer der Ignoranz und des Lasters weder erkennen noch bekämpfen". 

Staunend steht man vor dem Phänomen, dass in unseren scheinbar aufgeklärten Zeiten weltweit mehr und mehr Politiker Zulauf finden, die Wahrheiten verbiegen und zu einem Brei furchtbarer Vereinfachungen machen, die keiner Hinterfragung standhalten. Nur will man halt nicht hinterfragen. Weil die Welt zu kompliziert geworden ist? Schaffen wir also deshalb im frankensteinschen Sinne diese Monster? Nur industrieller, austauschbarer? Die Firma Frankenstein & Co scheint es im Bild so zu machen.

Es ist an der Zeit, die Vernunft zu wecken!

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