Klaus Busch

Bilder und Illustrationen

NARRENSPIEGEL 21-30

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Frühling in Niederbayern (Narrenspiegel XXI, 2019)

Frühling gibt es eigentlich nicht in Niederbayern. Üblicherweise geht der Winter irgendwann im April unvermittelt in den Sommer über und die Temperaturen steigen innerhalb eines Tages vom Gefrierpunkt auf rund 30° C im Schatten. Kaum wird es wärmer, wird es laut in Niederbayern. Dann will alles raus ins Freie. Das aber auf die niederbayerische Art. Nur nicht zu Fuß, ja keine Ruhe, sondern rein ins SUV, rauf aufs Quad, das Geländemotorrad, das Mountainbike. Die Natur wird vereinnahmt: Hemmungslos, rücksichtslos, ruhelos. 

Nicht umsonst stammte in der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages jener unter anderem mautdilettierende Bundesschutzminister für die Autoindustrie, der Tempolimits auf Autobahnen „gegen jeden Menschenverstand“ fand, aus Niederbayern. Fehlt nur noch der Aufruf zum Autokorso für den Klimaschutz. Das würde in Niederbayern wahrscheinlich auch funktionieren…


In deutschen Vorgärten (Narrenspiegel XXII, 2019)

In deutschen Vorgärten muss alles immer sauber sein. Im Land der Laubbläser, Hochdruckreiniger und Kleingartenvereinssatzungen stürzt man sich auf alles, was anders ist und die Ordnung stört. Hochglanz, rechte Winkel und ein rundum versichertes Leben bestimmen die Top Ten der Lebensziele. Alles, was nicht in dieses Schema passt, löst sie aus, die "German Angst". Und so stürzen sie sich darauf und blasen es davon, die auffallend bayerischen Vertreter dieser Spezies der Pfleger der "deutschen Ordnung" (denn gerade die Bayern sind am deut-schesten, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen...). Die Gartenzwerge drücken auf ihre Art ihre deutsche Begeisterung über so viel Ordnungswillen aus und am Bildrand freut sich eine Art "Miss-Germany", dass die Herren ihr alles so schön ordentlich machen.


Homunculus Germanicus (Narrenspiegel XXIII, 2019)

Monatelang haben sich führende Köpfe des rechten Randes in die Labors zurück-gezogen und alles Deutsche in den Genen isoliert, multipliziert und zusammen-gefügt zu einem alchemistischen Wesen Faust`scher Prägung, den Homunculus Germanicus. Hier wird er nun präsentiert, der ideale Deutsche, blond, blauäugig und – äh, naja... 

Sie haben es geschaffen, das ideale Wesen der Deutschnationalen, die Krone des Biederen. Die Begeisterung kennt keine Grenzen und steigert sich in die Ekstase. Das ist das, wovon sie ihr Leben lang geträumt haben. So wollen sie sein, deutsch wie es deutscher nicht mehr geht. Schmerbauch, Lederhose, Socken und Sandalen...


Das Schulkonzert (Narrenspiegel XXIV, 2019)

Wer spätestens seit dem Aufkommen des Smartphones einmal ein Schulkonzert oder ein Konzert einer Musikschule besucht hat, wird feststellen, dass sich zumindest in den hinteren Reihen die Sicht entscheidend verändert hat. Sah und hörte man früher noch von überehrgeizigen Musiklehrerinnen und -lehrern häufig gequälte und überforderte Schülerinnen und Schüler, ist es seit etwa 10 Jahren nur noch eine Armada mobiler Telekommunikationsgeräte, die man zu sehen bekommt. Die restliche Sicht ist vollständig verdeckt. Was auch immer mit all dem Foto- und Filmmaterial aus merkwürdigen Gründen bis zur Extase begeisterter Eltern und Großeltern später einmal geschieht. Die schlimme Nebenwirkung dieses Phänomens ist, dass man sich entweder mit den Smartphone-Hersteller-typen auseinandersetzen oder sich alleine mit dem Hören befassen muss. Und beides ist oft nicht schön...


Europe 2020 (Narrenspiegel XXV, 2019)

Nationalstaaten sind ein Phänomen von gestern. Eigentlich ist es völlig egal, ob man deutsch, finnisch oder kroatisch ist. Das ist nur ein Zufall der Geburt. Glühende Europäer*innen, die mit Begeisterung Teil eines humanistisch geprägten Europas mit reicher Geschichte sind, hofften einst zu Recht, in ihrem Leben einmal Bürger*innen der Vereinigten Staaten von Europa zu werden. Es  wird leider wohl bei dem Traum bleiben... 

Denn wir erleben, dass zahlreiche Populisten und deren Anhänger, überwiegend Männer der Babyboomer-Generation mit Besitzstandswahrungszwängen und diffusen Ängsten, diese wunderbare Idee eines einigen und somit friedenswahrenden Europas nun mit den Füßen treten und Stück für Stück zerstören. Dass alles so bleiben soll, wie es ist, ist hier das einzige Gebot des Lebens. Schuld an Missständen sind immer die anderen. Angeregt von einer Ausschreibung zu einer Ausstellung in Vilshofen unter dem Titel "Vision Europa" ist deshalb diese eher düstere Vision erstanden. Europas Stier ist erlegt und zerteilt. Björn (oder nach einem wunderbaren Running Gag der „Heute-Show“ Bernd?) H. aus Thüringen hat dazu noch einen besonderen geographischen Beitrag. Bleibt nur zu hoffen, dass bald eine neue Generation das Ruder übernimmt, die europäischer aufgewachsen ist, mit anderen Werten als den heiligen Besitz. Das wäre der kleine Silberstreif am Horizont der europäischen Visionen.


Modern Times (Narrenspiegel XXVI, 2019)

"Modern Times" handelt von modernen Arbeitswelten, die - plakativ festgemacht insbesondere an der Arbeitssituation der Paketzusteller - immer schneller und somit immer unmenschlicher wird. Darum die Zirkusszene. Immer größerer Zeit-druck bei immer weniger Reallohn führt zu täglichen Jonglagen und Husaren-stücken im Arbeitsleben. Immer gehetzter, immer noch mehr und dabei immer weniger Zeit und Geld zum Leben. Ein paar Karrierestufen weiter oben gönnt man sich zugleich in Ruhe fette Boni und fällt weich, wenn die Staatsanwaltschaft oder die Steuerfahndung zu"schlägt". 

Der großartige Charly Chaplin hatte das schon vor rund 100 Jahren thematisiert. Darum der Titel und darum die Szene aus seinem einmaligen gleichnamigen Film im Hintergrund.


The Boys Are Back In Town Again (Narrenspiegel XXVII, 2019)

Da treffen sie sich wieder, die Boys. Älter geworden sind sie, vieles weist im Bild darauf hin. Und sie müssen schon nachhelfen, um frühere Zeiten wieder aufleben zu lassen. Trotzdem sind sie einander geblieben, diejenigen, die früher um die Häuser zogen und die Welt unsicher machten. Ein kleiner Rest von diesem Funken vergangener Tage glimmt noch in ihnen. Wichtig ist aber vor allem, dass sie einander haben. Das steht inzwischen im Vordergrund, die Ablenkungen des Lebens sind nebensächlicher geworden. 

Das Bild ist eine verschmitzte Liebeserklärung an die Freundschaft. Und an Freunde aus Jugendtagen, die immer noch die gleichen Kindsköpfe sind und viel dazu beigetragen haben, das Leben reich zu machen. Den Ort vor den Garagen gibt es wirklich. Und tatsächlich treffen sich die „Boys“ dort jedes Jahr! 

Da es die zweite Bearbeitung dieses Themas ist, heißt es im Titel „Again“. Dieser Titel zitiert einen bekannten Song von Thin Lizzy, in dem es in den ersten Zeilen heißt:

"Guess who just got back today
Them wild-eyed boys that had been away
Haven't changed, hadn't much to say
But, man, I still think them cats are crazy..." 

Das passt sowohl inhaltlich als auch musikalisch zu diesem Bild.


Stille Nacht? (Narrenspiegel XXVIII, 2019)

Irgendwie haben wir es geschafft, sie zu verlieren, die Fähigkeit zu Ruhe und Besinnung zu Weihnachten und zum Jahreswechsel. Möglicherweise ist das aber auch aktive Reflexionsvermeidung. Scheinbar zahllos hetzen die Menschen durch die Vorweihnachtszeit und die Feiertage, erdrückt vom Konsumieren-Müssen. Das weihnachtliche Geschehen selbst wird zum Randereignis des Konsumrausches. Und so verschwindet es in diesem Alltagseilen, abgeschoben auf die Verkehrsinsel. Zwei der drei Könige scheinen erschüttert. Wo ist der dritte? Ein Opfer des Weges über die breite mehrspurige Einkaufsstraße zum weihnachtlichen Stall?


Despoten beim Friseur (Narrenspiegel XXIX, 2020)

Im angelsächsischen Raum lässt sich ein Phänomen beobachten: Zunehmend tauchen Despoten mit gleicher Frisur und gleicher Selbstverliebtheit auf und werden von ebenso zunehmend unreflektierter werdenden Menschen mit nahezu religiösem Eifer gewählt. Das wirft Fragen auf: Sind es außerirdische Klone? Haben sie den gleichen Friseur? Nun, das erste können wir nur vermuten, beim zweiten gibt es jetzt den Beweis: Ja, es gibt sie, den Despoten-Friseur und die Despoten-Frisur. Andere Despoten dieser Welt haben ihn auch schon gefunden. Oder entdecken ihn gerade durch das Fenster...


Die Corona-Schwestern beim Einkauf (Narrenspiegel XXX, 2020)

Was gibt es Ertragreicheres für einen satirischen Zeichner als sich bewahrheitende Klischees? Die beginnende Corona-Pandemie 2020 kehrte so manches Klischee hervor. In Frankreich gingen mit den Hamsterkäufen Wein und Kondome zu Neige, in den Niederlanden herrschte plötzlich Mangel an Gras (außer auf den Wiesen und Weiden), in Deutschland waren die Toilettenpapierregale leergeräumt und in den USA stand man Schlange für Waffen und Munition. Da zeigt sich, was wo wichtig ist im Leben! Und es zeigt sich, wo sowohl metaphorisch als auch real das Leben anscheinend beschissener ist als anderswo. Setzen wir uns also zu den beiden Damen auf die Bank und amüsieren uns bei aller Bedrohlichkeit des Virus köstlich über die merkwürdig abstrusen Ernsthaftigkeiten im Leben.

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